«Busfahren ist für mich der schönste Nebenjob der Welt»

VBZ Admin

Busfahren als Nebenjob während dem Studium? Das geht – und Silvan Burger ist der beste Beweis dafür. Wenn er nicht gerade für sein Medizinstudium büffelt, cruist er mit dem Bus durch die Strassen Zürichs. Einen Ausstieg aus der Fahrkabine kann er sich nach neun Jahren bei der VBZ gar nicht mehr vorstellen.

Seit neun Jahren bist du Busfahrer bei der VBZ. Wie kam es dazu?

Nach der Matura habe ich an der ETH ein Bauingenieur-Studium begonnen. Schon damals fuhr ich Lastwagen, um mir während dem Studium etwas dazuzuverdienen. Später habe ich dann noch die Busprüfung gemacht. So bin ich bei der VBZ gelandet. Und hängen geblieben…

Weshalb?

Weil es mir einfach unglaublich viel Spass macht. Ich liebe es, mit diesem grossen Fahrzeug durch die Stadt zu fahren und den Ton dieses Gefährts zu hören. Ausserdem habe ich die Möglichkeit, bei der VBZ im Teilzeit-Pensum zu arbeiten. So kann ich mir trotz Studium meinen Lebensunterhalt finanzieren und komme knapp über die Runden.

Inzwischen studierst du aber nicht mehr Bauingenieurwesen, sondern Medizin.  

Genau. Ich habe nach meinem ersten Studium einige Jahre in einem Ingenieurbüro gearbeitet. Doch ich musste merken, dass das nichts für mich ist. Es war mir zu trocken – zu viel Papierkram, zu wenig Austausch mit Menschen. Also schrieb ich mich fürs Medizinstudium ein. Ich studiere zwar nicht mehr dasselbe, aber bei der VBZ bin ich über all die Jahre geblieben. Für mich ist Busfahren der schönste Nebenjob der Welt und ein guter Ausgleich zum Studienalltag.

Der Student, der Bus fährt, um sein Sackgeld aufzubessern. Musst du dir manchmal dumme Sprüche anhören?

Das kommt schon mal vor. Aber das ist dann eher lustig und nicht böse gemeint. Ich glaube, die meisten finden es noch cool, dass ich studiere und nebenher Bus fahre. Es gibt bei der VBZ übrigens viele gut ausgebildete Busfahrerinnen und -fahrer, darunter auch den einen oder anderen Maschineningenieur*in. Viele kommen aus dem Ausland und können wegen der Sprache nicht ihren angestammten Job ausüben. Wir sind eine bunte Truppe. Was uns alle verbindet, ist die Freude am Busfahren.

Was gefällt dir am besten an der Arbeit als Busfahrer?

Ich finde es total schön, wenn bei mir vorne in der Fahrerkabine Züri West läuft und ich mit dem grossen doppelgelenkigen Trolleybus flüssig durch die Stadt kurven kann. Dann habe ich so richtig meinen Frieden. Und auch wenn es wie ein Widerspruch klingt: Ich bin vor allem gerne zu Stosszeiten unterwegs – dann, wenn es mühsam wird und man besonders aufpassen muss (lacht). Ich freue mich aber auch über die vielen Menschen, denen ich begegne und mit denen manchmal eine Interaktion entsteht. Letzthin hat mir ein älterer Herr einen Fünflieber für einen Kaffee in die Hand gedrückt. Oft kommen Leute nach vorne und bedanken sich für die Fahrt oder Kinder schauen dich mit grossen Augen an, in der Hoffnung, dass sie einmal vorne im Cockpit Platz nehmen dürfen. Dieser Austausch und dass ich so nah an den Leuten dran bin, schätze ich. Und ich bin überzeugt: Wenn man freundlich aus der Fahrerkabine herausschaut, kommt auch etwas Freundliches zurück.

Es gibt aber sicher auch Momente, in denen es etwas ruppiger zu- und hergeht?

Klar, manchmal braucht man ein dickes Fell. Als Trampilot*in kannst du die Tür zur Fahrkabine schliessen und hast – wenn du willst – komplett deine Ruhe. Im Bus geht das nicht. Du bist exponiert und hörst oder siehst auch manchmal Dinge, die unschön und schwieriger zu verdauen sind. Aber überwiegend sind die Leute freundlich und dankbar.

Dafür dürft ihr in der Fahrkabine Musik hören.

Ja, das stimmt. Diese neue Regel gilt seit Sommer 2023. Lange Zeit durften wir das aufgrund der Gleichstellung mit den Trambetrieben nicht. Ich finde es super, dass ich nun meine Musik abspielen und zu meinen Lieblingssongs durch die Stadt cruisen kann.

Wie oft ärgerst du dich über die Unachtsamkeit von Fussgänger*innen und anderen Verkehrsteilnehmenden?  

So selten wie möglich. Über die Unachtsamkeit der anderen darfst du dich nicht ärgern, sonst bist du im falschen Job. Du musst den Leuten verzeihen können. Meist bemerkst du schon von weitem, wenn jemand nicht ortskundig oder abgelenkt ist. Dann liegt es an dir, dich darauf einzustellen und den Fahrstil anzupassen. Schlimmer als Unachtsamkeit ist, wenn Verkehrsteilnehmende ganz bewusst drängeln oder dich provozieren. Jemand hat es einmal schön ausgedrückt: Der Stadtverkehr ist wie Teamsport: Wenn es nur Ronaldos gäbe, die den Freistoss selbst schiessen wollen, wird es mühsam. Wenn du das Ganze aber als Teamsport siehst und mit Fussgänger*innen, Velo- und Autofahrer*innen interagierst, profitieren letzten Endes alle.

Trotz aller Aufmerksamkeit kann es vorkommen, dass etwas passiert.

Das ist so. Heikle Situationen, in denen du denkst «Phuu, das war knapp», gibt es oft. Das gehört gewissermassen zum Alltag als Busfahrer*in dazu. Du brauchst es ein gutes Nervenkostüm. Wichtig ist, dass du beim Fahren eine gewisse Sicherheitsreserve einrechnest, um deine eigenen und die Fehler anderer auszubügeln und nicht voll am Limit fährst. In den ersten paar Jahren bei der VBZ hatte ich leider immer mal wieder eine kleinere Kollision, die vielleicht vermeidbar gewesen wäre, hätte ich zurückhaltender agiert. Du musst dir immer vor Augen führen, dass du nicht einfach Früchte und Gemüse transportierst, sondern Menschen. Das ist ja auch das Schöne an diesem Beruf. Trotzdem, du wirst nie jede Kollision und jeden Unfall verhindern können.

Kannst du dir ein Leben ohne Busfahren überhaupt vorstellen?

Ich will es mir gar nicht vorstellen. Ich bin fast ein bisschen süchtig nach Busfahren. Eine Ärztin hat mich vor einer Narkose einmal gebeten, mich mental an meinen Lieblingsort zu beamen. Als ich wieder aufwachte und sie mich fragte, wo ich war, sagte ich ihr: «Am Busfahren». Ich fühle mich da vorne auf dem Sitz pudelwohl. Wenn ich mein Medizinstudium in einigen Jahren abgeschlossen haben werde, weiss ich nicht, ob ich es zeitlich noch schaffe, mich hinters Steuer zu setzen. Aber wenn ich wünschen könnte, würde ich – auch wenn es nur in einem kleinen Pensum ist – für immer weiterfahren.

 

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